Die Belagerung von Milazzo
(1718/19)
Zehn endlose Monate. Die Bevӧlkerung von
Milazzo war verzweifelt und entmutigt.
Alles begann im Juli 1718, als die Truppen von Philipp V. – die von Spanien
gekommen waren, um Sizilien wieder zu
erobern, nachdem sie es fünf Jahre vorher verloren hatten - in der Umgebung von Milazzo ihr Lager
aufschlugen, längs der heutigen Strecke der (Staatsstrasse) Strada Statale 113,
zwischen den Gemeinden S. Filippo del
Mela (Gegend Belvedere) und Merì. Die
spanische Belagerung von Sizilien konnte
nicht von der Eroberung von Milazzo absehen, damals eine der wichtigsten Festungen
der Insel.
Von Turin aus hatte der Herzog von Savoyen
Viktor Amedeus II. - seit
1713 Kӧnig von Sizilien - zur Verteidigung der Burg and anderen
Festungen von Milazzo das piemontesische Regiment Saluzzo entsandt, das
bald von anderen Verbündeten unterstützt wurde, und zwar von den ӧsterreichischen
Truppen des Kaisers Karl VI., die ihrerseits die Unterstützung der mächtigen britischen Flotte von Kӧnig Georg I. erhielten.
In den ersten zwei und halb Monaten versuchten
die Spanier (durch das Reiterregiment Salamanca und die Dragoner von
Lusitanien) die Lebensmittelversorgung und den Munitionsnachschub Richtung
Milazzo zu unterbrechen, um die Bevӧlkerung auszuhungern und die piemontesische Garnison
zur Uebergabe zu zwingen. Aber
die ständigen Verstärkungen der ӧsterreichischen
Truppen, die vom Meer herkamen, vereitelten diese Strategie (genannt Blockade
von Milazzo). Nach der blutigen Schlacht
vom 15. Oktober 1718, in der das spanische Heer siegreich hervorging, -
es war seit einigen Wochen näher
angerückt und hatte sogar sein
Lager in der Mitte der Ebene (Piana von
Milazzo), dicht am Stadtzentrum aufgeschlagen - geschah es, dass die Bevӧlkerung
weitere lange sieben Monate zu leiden
hatte, weil sie einer langsamen Belagerung, - wie damals die militärischen
Abhandlungen eine solche Strategie nannten - ausgesetzt wurden; diese Strategie
bestand in ständigen von der Entfernung aus abgefeuerten Artillerieschüssen mit
Mӧrsern und Kanonen, die von beiden
feindlichen Seiten benutzt wurden. Die Wirkungen waren verheerend sowohl
für die Stadt wie für die
Bewohner, für die buergerlichen und kirchlichen Bauten, für die ganze Wirtschaft.
«In Milazzo aber harrte dieser so arg mitgenommenen
Truppen keine Erholung, vielmehr standen ihnen noch grössere Entbehrungen bevor.
Es gebrach an Allem, selbst an einem schützenden Obdach, denn die Zelte waren
grösstentheils zugrunde gegangen und die Truppen fanden statt der kriegerischen
Unternehmung nur Siechthum und Tod in dem Platze, in dessen Steinboden Hunderte
von kaiserlichen Soldaten ruhen.
Weder die Anordnungen Daun’s, noch die Mühewaltung
Caraffa’s, noch die vielfachen Vorstellungen Zum Jungen’s bei dem neapolitanischen
Präsidenten Gervasio und dem General-Proveditore de Sarno vermochten
hinreichende Aushilfe an den unentbehrlichen Bedürfnissen und genügende
Vorräthe an Lebensmitteln zu beschaffen, so dass es den Truppen gegen Ende des
Jahres 1718 selbst an Nahrung zu mangeln begann, da kein Holz zur Feuerung mehr
vorhanden war. Der Soldat konnte bei dem anhaltenden Regen weder seine
zerrissenen Kleider trocknen, noch sich erwärmen oder kochen; man hatte zum
Theil die Häuser abgedeckt und Faschinen und Pflöcke, die aus den
Fortificationen weggenommen wurden, verwendet. Als aber auch diese kärgliche
Quelle zu versiegen drohte, fand sich FZM. Zum Jungen, nachdem am 4. Februar
nur eine kleine Holzladung angelangt war, endlich veranlasst, den Hauptmann
Baron Meusern vom Regimente Wetzel mit einigen Commandirten nach Tropea zu
entsenden, um in Calabrien Holz zu fällen. Der Mangel an Brennmaterial und
Stroh hatte den Truppen mehr Verluste zugefügt, als das feindliche Feuer; zu
Ende des Jahres lagen nicht weniger als 1820 Mann krank in den Spitälern.
Diese, dann die Absenten, Commandirten und Undienstbaren zählten zur Zeit nicht
weniger als 6079 Köpfe, also fast die Hälfte des ganzen Standes; es blieben nur
7154 Füsiliere und 1127 Grenadiere, zusammen 8281 Mann dienstfähig. Da selbst
die Kranken kein Stroh zum Lager erhalten konnten, war es begreiflich, dass bei
der herrschenden Kälte täglich bei 30 Mann starben.
Ebenso wie an Lebensmitteln und den unentbehrlichsten
Bedürfnissen herrschte auch an Geld und Munition empfindlicher Mangel. Die aus
Neapel gekommenen Regimenter hatten die Löhnung noch für zwei Sommermonate
rückständig, jene aus der Lombardie waren mit derselben für den Winter auf nur
zwei Monate versehen worden».
Raimund Gerba, Die
Kämpfe der Kaiserlichen in Sicilien und Corsica 1717/20 und 1730/32, Wien
1891.
Die verletzte Stadt: ganze Viertel niedergerissen und die Wirtschaft in starker Krise
Unzählbar waren die von den spanischen Bomben
und Kanonenschüssen zerstӧrten Gebäude.
Dazu kamen noch die Bauten und die
Kirchen, die auf Anweisung der ӧsterreichischen Militärbehӧrde
niedergerissen wurden: der grausame General George Olivier Wallis (1671-1743)
liess ganze Viertel der Innenstadt dem
Erdboden gleich machen, besonders längs der heutigen Strasse Umberto I., um
einen optimalen, freien Blick zu gewinnen
und den Angriffen der feindlichen Truppen zuvorzukommen.
Der General Wallis hӧchst persӧnlich befahl
die Beseitigung von Dächern, Türen und Fenstern an den Gebäuden, die
bislang von den feindlichen Artillerien
und von den von ihm selbst befohlenen Abbrüchen verschont
geblieben waren, um das gewonnene Holz
in Schützengräben und anderen
militärischen Werken wieder zu verwenden:
Was von diesen Gebäuden übrig blieb, gab
er zur Plünderung und Zerstӧrung seinen Soldaten anheim, die von der
Abwesenheit der Besitzer profitierten,
die schon vorher
auf die Hügeln um Milazzo oder nach Capo Milazzo geflüchtet waren, um
den Kriegswirren zu entfliehen.
Unter den Gebäuden, deren Dächer von den ӧsterreichischen
Truppen entfernt wurden, sind die Lagerräume der Tonnara von Milazzo
(Thunfischfabrik) erinnerungswert, auf dieser Fläche befindet sich heute eine Tankstelle, die gerade gegenüber dem früheren Bahnhof von Milazzo steht. Diese Gebäude wurden später von den
Spaniern besetzt, die daneben eine
Artillerienbatterie aufstellten.
Diese sowie eine zweite,
die die Spanier in der Gegend Alberto
aufstellten, verursachten einen gewaltigen Terror im Hafen und
zerstӧrten die Kirche Carmine, die jedoch gleich nach der Belagerung
wieder aufgebaut wurde, wie man aus einer in Latein abgefassten
Marmorgedenktafel entnehmen kann, die
sich im Innern der Kirche befindet.
Genauso
verheerend waren die Verwüsterungen der
ausgedehnten Weingärten, die aus
Milazzo einen der bedeutendsten
Weinabsatzmärkte in Italien
machten. Nach der Belagerung hatten die Besitzer der Weinfelder, die
wieder in die Ebene zogen, nicht wenige Schwierigkeiten ihre Güter wieder zu erkennen, so verwüstet
waren sie vom andauernden
Getrampel der Infanterie
und der Kavallerie und den Gruben
der Schützengräben. Ein Adliger aus Milazzo, Marcello Cirino, beklagte in seinem ausgedehnten Landgutbesitz
S. Basilio, der in der Gegend S. Marina
anfing, eine Verwüstung von gut
16 Hektaren an Weinfeldern , für
insgesamt 102.000 entwurzelte Rebstӧcke,
die ihm jährlich 500 Hektoliter
Schnittwein eintrugen, etwa ein
Hundertstel der gesamten Herstellung in Milazzo, die damals 48.000 Hektoliter
betrug.
Die Lagerräume der Thunfischanlage in Milazzo,
deren Dächer von den ӧsterreichischen Truppen entfernt wurden und die nahestehende spanische Kanonenbatterie.
George Olivier Wallis (1671-1743)
Die geteilte Stadt
Als die Belagerung begann, (Oktober 1718)
befand sich ein grosser Teil der Bevӧlkerung in den Weingärten der Ebene (Piana) zur Weinernte. Die Verschärfung der Truppengefechte hinderte plӧtzlich die
Leute in ihrer Bewegungsfreiheit. Milazzo teilte sich in zwei: die Innenstadt
(damals mit Mauern umgeben und verteidigt) und der Capo (die Spitze) blieben
fest unter der Kontrolle der Piemonteser und ӧsterreichischen Truppen, während
die Ebene (Piana) unter die spanische
Herrschaft fiel. Die angrenzenden Gemeinden unterwarfen sich auch den Spaniern.
Während es in den Monaten der Blockade (Juli -
September) noch mӧglich war zu Fuss oder
beritten von der Innenstadt zur Piana und umgekehrt zu gelangen, obwohl die
Einschränkungen stets zunahmen, wurden
ab Oktober die Durchgänge von und zur Umgebung streng verboten. Plӧtzlich
fanden sich ganze Familien geteilt: die Kinder sahen sich von der Liebe und Pflege der Eltern entzogen, die Frauen von ihren Männern getrennt. Um ihre Lieben wieder zu umarmen, die sich in
die Ebene für die Ernte begeben hatten, mussten die Einwohner von Milazzo bis zum Ende der Belagerunäg warten (Mai 1719). Um sich
mit ihrer Familie wieder zu vereinigen,
versuchten einige von ihnen eine abenteuerliche und riskante Flucht auf
Meereswegen, die aber von den Artillerien und Gewehren der spanischen Truppen behindert wurde. Nicht alle fanden den Mut,
ein so gefährliches Unternehmen zu
wagen.
Die Belagerung von Milazzo war ein Kampf, der
in den Laufgräben erfolgte. Die Spanier bauten zwei so lange Laufgräben, dass
sie die Halbinsel von einer Meeresseite zur anderen abriegelten. Es waren zwei “contravallatione-Linien”, die
den Zweck hatten, den Ausgang des Feindes von der Innenstadt zu unterbinden. Dieser Ausgang hatte am 15.
Oktober 1718, als noch keine
“contravallatione-Linien“ bestanden, einen blutigen Kampf verursacht, der den spanischen Truppen viele
Menschenleben gekostet hatte.
Da es sich bei den “controvallazione-Linien”
um Gräben handelte, die man unter dem Feuer
der feindlichen Bomben und Kanonenkugeln ausheben musste, schuf man
zuerst Sappen (auf Franzӧsisch Sapes), d.h. enge unterirdische Gänge,
die von sachkundigen Sappeuren (sapeurs) angelegt wurden, die gewohnt
waren, unter dem feindlichen Feuer zu arbeiten und deswegen sehr gut belohnt
wurden.
Fuer eine Sappe brauchte man vier Sappeuren.
Der erste begann zu graben geschützt von
einer Art von kleinem Handkarren, genannt Mantelet, und dann folgten die
anderen, die den Graben immer tiefer aushoben.
Die ausgegrabene Erde wurde in Schanzkӧrbe (gabions)
geschüttet, die nebeneinander aufgestellt,als Brüstung für die Sappe dienten.
Der Mantelet schützte vor dem feindlichen Feuer den ersten Sappeure, wenn er
den leeren Schanzkorb aufstellte. Die
lange Reihe Schanzkӧrbe, die als Einfassung und Brüstung der Laufgräben
dienten, wurde dann von Faschinen
überdeckt und dann schliesslich von Erde und Steinen.
red trench: first Spanish line of contravallation
yellow trench: second Spanish line of contravallation
light blu trench: Austrian trench
red circles: Spanish guns
orange circles: Spanish mortars
blue line: Massimiliano Regis street
violet line: XX
Settembre street
The process of
sapping in the 17th century. From Vauban, De l’attaque et de la defense des
places, 1737
Der
hӧllische Regen der Mӧrser
Unter den schlimmsten Waffen, die in der Belagerung
von Milazzo eingesetzt wurden, gehӧren die Mӧrser,
Artillerien mit gebogenem Schuss, die verwendet wurden um mit Steinen die Soldaten zu treffen, die in den
Laufgräben Wache hielten (deswegen waren oft die Laufgräben mit grossen
Brettern oder Tafeln bedeckt), oder um mit Steinkugeln die Dächer der Gebäude
durchzuschlagen. Diese Waffen
bewirkten Todesopfer und grossen
Schrecken unter der Bevӧlkerung der belagerten Stadt. Die Mӧrser wurden auch
eingesetzt, um mit Bomben und Granaten zu schiessen.
Man unterschied zwischen mortai (Mӧrser)
und trabucchi, (trabucchi), je nach der Lage der orecchioni (Schildzapfen),
wie die zwei Arme genannt wurden, die
sich bei den Mӧrsern an der Hälfte von jedem Stück befanden,am Ende der culatta
(des Stosses, - Hinterstück der Kanonen)
in den trabucchi. Es war üblich
jedoch beide Arten allgemein Mӧrser zu nennen.
Man lud die Mӧrser indem man ganz unten in die
innere Hӧhle Schiesspulver einschob, das
mit gut eingedrückter Erde und Heu bedeckt war und darauf legte man entweder
die Bombe oder die Steinkugeln. Die Entzündung erfolgte indem man sehr feines
Pulver in ein winziges Loch (focone oder lumiera genannt, auf
Deutsch Zündpfanne) einschob, das die
Dicke der oberen Wand des Stückes durchging.
Eine Stange,die mit einer langsam brennenden Zündschnur abschloss, wurde
auf das Loch gelegt, um den Schuss losfahren zu lassen.
Die
Flotte vom Admiral Byng
Die Wiedereroberung Siziliens durch den Kӧnig
Philipp den V. von Spanien wurde sehr erschwert infolge der Niederlage der
spanischen Flotte in den Gewässern von Capo Passero (Seekampf vom 11. August 1718 am äussersten südӧstlichen Ende
Siziliens). Seit dem Zeitpunkt wurde die britische Flotte, die unter dem Befehl
des Admirals George Byng bei Capo Passero die Kriegsschiffe von Philipp V.
aufgebracht hatte, absolute Herrscherin des Mittelmeeres und erschwerte oder
sogar verhinderte die Waffen - und Muntionsversorgung, die den in Milazzo und
in anderen sizilianischen Festungen
befindlichen spanischen Truppen bestimmt war. ”Die britischen Schiffe hemmen
und beeinträchtigen uns beträchtlich“
schrieb der spanische Vize-kӧnig Marquis
di Lede im Dezember 1718 : ”vergebens
hoffen wir, dass die englische Flotte das Mittelmeer verlässt, nachdem
das Londoner Parlament eben erst dem Kӧnig
freie Bahn gewährt hat“.
Während der Belagerung lagen stets auf der
Reede von Milazzo englische Schiffseinheiten, darunter auch das Admiralsschiff Barfluer (am Bord befand sich Admiral Byng). Sie belegten nicht nur mit ihren
Schiffen die sizilianischen Küsten, sie geleiteten auch von Neapel und von
Kalabrien aus den Nachschub an Lebensmitteln und Munitionen, die für die ӧsterreichischen
Truppen in Milazzo bestimmt waren,mit denen sie verbündet waren. Um den
spanischen Artillerien auszuweichen, die ständig Richtung Hafen gerichtet
waren, ankerten sie längs der Küsten des
Capo (Spitze).
George Byng
Die Belagerung der Ueberläufer
Obwohl die Desertion von den militärischen Ordnungen und
Aufstellungen beider Heerscharen
verurteilt wurde, wurde sie wärend der
Belagerung von Milazzo ziemlich
geduldet. Im Herbst 1718 warben die Spanier zahlreiche ӧsterreichische
Deserteure an - die die Flucht ergriffen hatten nachdem ihr Lohn ausgeblieben war - und stärkten
ihre Bataillone, die durch Tote und Verwundete dezimiert waren. Jedoch hütete
sich der spanische Vize-kӧnig vor der
Bildung von Kompanien, die nur aus
Deserteuren bestanden, er zog es umsichtig vor, sie unter den verschiedenen
Regimentern aufzuteilen. Der Einsatz der Deserteure wurde für das spanische Heer notwendig, da es unter dem ständigen Druck
der Englischen Schiffe stand, die den Mittelmeerraum in allen Richtungen
durchkreuzten, um Verrückungen der feindlichen Truppen zu verhindern. Durch das
Ausbleiben von Truppenverstärkungen blieb den Spaniern keine andere Wahl, als
Deserteure anzuwerben.
Auch die spanischen Soldaten liefen aus wirtschaftlichen
Gründen zum Feind über, denn gerade im April 1719 erbeuteten
die Engländer ein mit vielen
Gütern beladenes spanisches Schiff, das das Geld für ihren Lohn bringen
sollte. Die Nachricht der Erbeutung des Schiffes gelangte zu den spanischen Truppen
durch Papierzettel, die von den feindlichen Kampfgräben ihnen zugeschleudert
wurden, gerade um die Soldaten des
Spanischen Kӧnigs zur Fahnenflucht zu bewegen, die sehr oft abenteuerlich und
riskant verlief, indem die Soldaten von
einem Lager zum anderen schwimmend wechselten. Nicht allen gelang das
Unternehmen: am 19. April 1719 wohnten die Bewohner von Milazzo der brutalen
Hinrichtung von einem ӧsterreichischen Deserteur bei, der von seinen
Landsleuten wieder erfasst und in der Nähe der Kirche S. Giuseppe
gehenkt wurde.
Der Kampf am 15. Oktober 1718
Gehӧrte zum
blutigsten Augenblick der Belagerung. Unter Ausnutzung des Umstandes, dass kein
Laufgraben die Feinde schützte (d.h. die
contravvallazione, die die
Spanier kaum zwei Tage später gebaut
hätten), verliessen die ӧsterreichischen Truppen und das Regiment Saluzzo die Innenstadt, um das spanische
Lager in der Piana (Ebene) anzugreifen.
Der erste
Zusammenstoss erfolgte am spanischen vorgeschobenen Posten in der Gegend von S.
Giovanni (casa de S. Juan). Trotz der
tapferen Verteidigung von etwa hundert Soldaten unter dem Befehl des Regimentobersten
von Aragona Manuel
de Sada y Antillón und des Kommandeurs der Kӧniglichen Wallonischen Wachen,
Grafen von Züveghem, der bei diesem Anlass gefangen gernommen wurde, unterlagen
die Spanier und boten den feindlichen Truppen die Gelegenheit, in kurzer Zeit
die Mitte und die linke Seite des spanischen Lagers zu erobern, und zwar
zwischen der Gegend Barone und dem westlichen Strand (Gegend Casazza). Der westliche Strand war mit Reitern besetzt
(Regiment Salamanca und Dragonern Lusitania ) und mit dem nahen Regiment Milano.
Die Eroberung des
spanischen Lagers brachte mit sich Raubzüge und Plünderungen durch die
kaiserlichen Truppen, die aus den Infanteriebataillons Guidobald von Starhemberg,
Maximilian von Starhemberg, Lorena, Wallis, Wetzel und Toldo bestanden, alle unter dem Befehl des Generals George Oliver Wallis, und aus den berittenen Dragonern Tige,
unter dem Befehl des Grafen Giulio
Veterani.
Die Raubzüge im spanischen Lager (es wurde meistens Geld entwendet, aber auch Waffen und
Munitionen) gestatteten den ӧsterreischischen Soldaten ihren armseligen Lohn aufzurunden und wurden später von einem
Teilnehmer am Kampf beschrieben, und zwar von Jaime Miguel de Guzmán y Dávalos Spinola, Gründer und Oberst der
Dragoner Lusitania.
Dank der Raubzüge,
die die feindlichen Truppen ablenkten, gelang es den Spaniern bald wieder die
verlorenen Posten zu gewinnen und den
Feind in die Innenstadt zurückzujagen.
Es kamen ihnen zu Hilfe das Reiterregiment Farnese,
das gerade in Milazzo eingetroffen war zusammen mit dem Vize-kӧnig Marquis di
Lede, Oberbefehlshaber der Truppen von
Philipp V. in Sizilien. Die Niederlage der feindlichen Reiterei (Dragoner Tige) wurde verschärft durch die
eklatante Gefangennahme des Generals Giulio Veterani, der vom Oberleutnant des
Regiments Farnese gefangen genommen wurde, Marquis di Bondad
Real. Unter dem Befehl des zukünftigen Vize-kӧnigs von Perù, José de Armendáriz y Perurena, erfolgte die Wiedereoberung des
vorgeschobenen Postens von S. Giovanni, die viele ӧsterreichische Soldaten
zwang sich ins Meer zu tauchen, um sich zu retten.
Die kaiserliche
Niederlage - insgesamt 3000 Tote und Verwundete und mehr als 1000 Gefangene -
kam dem Neapolitaner Giovanni Carafa, Oberbefehlshaber der ӧsterreichischen Truppen
in Milazzo, teurer zu stehen, er wurde bald von seiner Stelle abgesetzt. In
einem Bericht, den er am 16. Oktober 1718 nach Wien entsandte, rechtfertigte er
sich indem er darauf hinwies, dass sowohl
die spanische Reiterei (Dragoner Lusitania)
als auch seine (Dragoner Tige) gelbe
Uniformen trugen, ein Umstand, der seine Soldatern verwirrte, die
infolgedessen vom Feind überfallen
wurden.
Manuel de Sada y Antillón
Jaime Miguel de Guzmán y Dávalos Spinola,
Die Burg und die mit Mauern umgebene Stadt zur Zeit
der Belagerung
Da die Burg von
Milazzo schon vor dem Krieg mit dem Militär des Regiments Saluzzo besetzt war und das Fassungsvermӧgen der Burg beschränkt war, war es nicht mӧglich auch die ӧsterreichischen
Verbündeten dort unterzubringen. Sie lagerten
zwischen der Kirche S. Papino und
der Polifemo Grotte und z. Teil am Capo (Spitze). Eine Ausnahme bildete
ihr Befehlshaber, General Zumjungen, der lange Zeit im Kloster von S. Domenico
untergebracht war, am Fusse der breiten Freitreppe, die zum Eingang der
befestigten Zitadelle oder zum mit
Mauern umgebenen Stadtkern führt.
Als der Krieg
heftiger wurde, entschied sich der
Piemonteser Oberbefehlshaber Missegla seinen üblichen Wohnsitz am Borgo, den
Palast des Statthalters, zu verlassen und ins Haus der adligen Familie Lucifero
zu ziehen, das sich neben den aragonesischen Einfassungsmauern befand. Gerade
der Befehlshaber Missegla ordnete die Räumung des Domes an, um ihn als
Getreidelagerraum und besonders auch als
Militärkrankenhaus zu verwenden. Er befahl auch die Räumung des Klosters der
Benediktiner-Nonnen, um es als Lagerraum
für Lebensmittel und Munitionen zu verwenden und liess die Nonnen ins Kloster am Borgo
umziehen, das sich neben der Kirche SS. Salvatore befand, die gegenüber einer
anderen Kirche lag (S. Gaetano) und vorläufig als Kathedrale diente.
Im Febraur 1719,
infolge der hohen Anzahl an pflegebedürftigen Untergebrachten im Dom (es waren
gut 260), und um einer Seuche
vorzubeugen (es gab noch keine hygienischen Massnahmen und der Gestank im Dom
war unerträglich), wurden 75 Patienten,
die in der Lage waren eine Seereise zu überstehen, nach Kalabrien gebracht. Am
25. März 1719 wurde der Marquis d’
Andorno, Oberbefehlshaber der Piemonteser Truppen auf Sizilien, im Dom begraben; er war gerade in Milazzo an
Krankheit gestorben und zum Andenken wurde ihm
ein Grabstein gewidmet. Kurz darauf lief die Küche, die unter der neuen
Sakristei vom Jahre 1704 eingerichtet worden war, um dem Militärkrankenhaus zu
dienen, Gefahr die wertvollen
Holzarbeiten der Sakristei in
Brand zu stecken.
Am 23.Mai 1719
starb tragisch im Schlaf ein Soldat des Regiments Saluzzo, der von den Mauern der befestigten Zitadelle herabstürzte. Er konnte nicht einschlafen vor
lauter Flӧhe, die seine Liegestatt infiziert hatten, er beschloss die Kaserne
zu verlassen, in der er sich aufhielt und im Freien zu schlafen. Die unbedachte
Entscheidung, sich auf den hohen Mauern niederzulegen, hatte für ihn fatale
Folgen.
1. Cathedral -
Duomo antico
2. Ancient
City Hall - Palazzo dei Giurati
(Municipio)
3. Benedectine
Monastery - Monastero delle
Benedettine
Die
chiffrierte Schrift, die von den spanischen Truppen angewandt wurde
Um zu verhindern, dass geheime in der
Kriegskorrespondenz von und nach Spanien enthaltene Nachrichten in feindliche
Hände fallen kӧnnten, benutzten die spanischen Militärbehӧrden
wirksame chiffrierte Geheimzeichen. Die
Ueberprüfung der entzifferten Korrespondenz des Vize-Kӧnigs
Marquis de Lede, die von Milazzo im
Herbst 1718 entsandt wurde und heute im Archiv General de Simancas aufbewahrt
wird, ermӧglichte, dass man einen grossen Teil der
chiffrierten Schrift wiederherstellen
konnte; sie bestand meistens aus Zahlen ,die gewissen Silben oder einzelnen
Alphabetbuchstaben entsprachen. Das hier wiedergegebene Schema listet die einzelnen verwendeten Zahlen auf, einige
davon bezeichneten allgemeine Wӧrter oder
Ausdrücke, wie z.B. “regimiento di artilleria “ oder “Su Magestad”, die
laut Liste den Zahlen 406 und 713
entsprechen.